France With Benefits #6.1

Kennt ihr das, wenn ihr Noise Rock hört und plötzlich merkt, dass gar keine Gitarren involviert sind? Genau, wie bei Zu, jenen italienischen Experimentalisten, die schon mit Mike Patton und Mats Gustafsson gearbeitet und 2009 mit Carboniferous einen Monolithen enthüllt haben. Wie Zu kommt auch das Trio Jean Louis ohne verzerrte Klampfen aus, der dröhnende Sound wird allein durch Kontrabass und Trompete erzeugt.

Aymeric Avice, Joachim Florent und Francesco Pastacaldi machen seit 2005 unter dem Namen Jean Louis Musik, in den elf Jahren ihrer Existenz haben sie drei Alben veröffentlicht und sich in der Jazzszene einen Namen gemacht. Dabei sind sie auch auf Platte, wenn mich die Ohren nicht täuschen, vom Debüt Jean Louis über Morse zu Uranus, dem 2013 erschienenen aktuellsten Album, immer jazziger geworden. Und psychedelischer. Während „zakir“ von Jean Louis und „Schaerbeek“ von Morse noch Trompetenchaos und rockige Rhythmen in den Vordergrund stellten, ist Uranus oft verhaltener.

jean louis all

„kim jong il“, der erste Song auf Uranus, hört sich fast wie der Soundtrack zu einem koreanischen Film Noir an. Der Zwischenpart mit gesprochenem Text, der aus einem alten Film zu stammen scheint, erinnert an Hypno5es „Tutuguri“, und konsequenterweise folgt auch hier der Ausbruch. Später bleiben „ilmindeleune“ und „abyssaa“ auf der Beunruhigender-Soundtrack-Ebene, von der sich der Opener sowie „goliath“ und der Titeltrack mit Krach erheben. Mit „reggaetron“ und „dokter gigi“ unternimmt das Trio außerdem Ausflüge in tropische Gefilde.

Uranus ist das abwechslungs- und detailreichste Album des Trios, besitzt auf der Gegenseite allerdings nicht immer den Biss der ersten beiden Alben. Was man den vertrackten Rhythmen und den spielerischen Melodien aber immer anhört, ist ein gewisser, Battles’scher musikalischer Humor. Den haben sie parallel zu dem von Cheveu entwickelt, für die Pastacaldi auf zwei Songs von Mille das Schlagzeug bediente. Auch die Cover spiegeln jenen schwer in Worte fassbaren Humor wider: ein psychotisch grinsendes Männchen hinter Gittern, ein Bild eines alten Kriegers mit überlangen Stoßzähnen, das unbekümmert improvisierende Trio, von einem japanischen Filmmonster der 60er Jahre bedroht. Ob man Jean Louis bald wohl auch mit dem Improv-Clown par excellence Mike Patton sieht?…



Fordamage, die letzte Band für diese Ausgabe, machen ebenfalls Noise Rock. Auf drei Alben in acht Jahren ist die Besetzung stets die gleiche geblieben: Amélie Grosselin und Vincent Dupas an den Gitarren, Anthony Fleury am Bass und Pierre Marolleau an den Drums. Achja, singen und schreien tun sie alle vier. Leider gibt es die Band nicht mehr, das fast dreistündige Konzert (zwei Stunden Spielzeit plus drei Zugaben) Ende 2013 in Montpellier, bei dem ich das Quartett aus Nantes entdeckt hatte, war Teil ihrer Abschiedstournee.

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Die Band fungierte laut ihrem Label Kythibong für die hyperaktiven Musiker als Stresstherapie und den gleichen Effekt hat das auch auf die Hörer. Mit Anknüpfungspunkten an die frühen Sonic Youth, die frühen Foals, die frühen Mastodon und die frühen Fall of Troy ist die Musik von Fordamage vor allem rau und voller Energie. Das führt auf Konzerten dann schonmal zu einer Luftballon-Konfetti-Schlacht und einer Polonaise mit den Musikern. Mit Ausnahme von Marolleau natürlich, einer muss ja den Marschrhythmus vorgeben.

Seit dem Ende von Fordamage sind die Mitglieder in anderen Bands aktiv. Fleury ist nun Teil der Bands Seilman Bellinsky und Mange Feraille und Vincent Dupas konzentriert sich auf sein schon seit 2002 existierendes Soloprojekt My Name Is Nobody. Grosselin, die die Albumcover der Band designte, hat die Gitarre zur Seite gelegt und konzentriert sich auf ihre Illustrationen. Marolleau hingegen hat sich mit Fat Supper dem Indie Rock zugewandt. Deren Album Academic Sausage ist im Februar 2015 erschienen und verbreitet vielleicht am ehesten den Partykrach von Fordamage über das Ende der Band hinaus. Wie soll es auch anders sein? The party must go on.

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Die Musik der vier Bands könnt ihr euch unter folgenden Links anhören:
La pietàCheveuJean LouisFordamage


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