10 Bands, die nach Orten benannt sind, aus denen sie gar nicht stammen

Namen sind nur Schall und Rauch – oder etwa doch nicht? Die Suche nach einem passenden Namen hat wohl schon so mancher Band Kopfschmerzen bereitet. Wenn man nicht den easy way out nimmt und sich nach sich selbst benennt (siehe: AnnenMayKantereit) oder sich hinter einer leicht durchschaubaren Kombination aus Konsonanten versteckt (SBTRKT, MGMT, BRNS), muss man sich einen ordentlichen Bandnamen überlegen. Manche benennen sich nach ihren Heimatorten: die New York Dolls, Chicago oder Mount E(e)rie. Was aber, wenn Bands den Namen eines Ortes tragen, der gar nicht ihre Heimat ist? Geographische Appropriation oder Namensfindung mit Hintergedanken? Eine stichprobenhafte Untersuchung:

Algiers

Bei Algiers musste ich zuerst an das Album Algiers von Calexico denken (übrigens auch eine Band, die sich nach einem fast 500 Kilometer von der Heimat entfernten Ort benannt hat). Algiers ist aber auch das Debütalbum der Band Algiers aus Atlanta, Georgia. Der Mix aus Southern Gothic und Post-Punk klingt kaum nach der am Mittelmeer gelegenen Hauptstadt Algeriens, sondern eher nach etwas, was bei True Detective im Hintergrund laufen könnte. Vielleicht hat die Bezeichnung als „Post-Worldbeat“, die das Trio um Franklin James Fisher sich selbst gegeben hat, etwas mit der Namensgebung zu tun. Andererseits gibt es in Amerika ja auch eine langanhaltende Tradition, Inspiration bei anderen Ländern zu suchen…

METZ

Man kann nur mutmaßen, was hinter dem Bandnamen von Alex Edkins, Hayden Menzies und Chris Slorach steckt. Fakt ist: Das Hardcore-Trio stammt weder aus der Hauptstadt der französischen Region Lothringen, noch aus einer der Handvoll amerikanischer Städte mit dem selben Namen. Kanada, genauer: Toronto ist ihre Heimat, auch wenn ihre musikalischen Vorbilder allesamt aus den United States of Nirvana stammen. Metz bietet historische Monumente, eine Universität und einen Ableger des Pariser Museums für moderne Kunst Centre Pompidou. METZ zeichnen sich durch Aggression, Lautstärke (daher die Großbuchstaben) und retrograde Punkhymnen aus – also alles, was die Stadt nicht ist.

of Montreal

Wenn wir annehmen, dass Musiker ihre Band nach geografischen Wurzeln benennen, um etwas Persönliches, ihre eigene Vergangenheit, mit in die Musik zu bringen, die sie mit anderen Menschen machen, ist Kevin Barnes‘ Entscheidung durchaus nachvollziehbar. Den Musiker aus Athens, Georgia, hat eine Beziehung zu einer Frau aus Montreal dermaßen geprägt, dass er sein Soloprojekt anstatt nach seiner eigenen schlicht nach ihrer Heimat benannt hat. Mittlerweile hat of Montreal eine Liste mit ehemaligen Mitgliedern, die so lang und gut bestückt ist – Sinkane, Kishi Bashi und Elf Power sind alle of Montreal-Alumni – wie die der Alben, die Barnes in den letzten 18 Jahren veröffentlicht hat. Das aktuellste, das rockig-funkige Aureate Gloom, ist gerade mal ein Vierteljahr alt.

Lake Cisco

Lake Cisco waren in meiner Vorstellung lange Zeit Isländer, da ich die Band mal im Vorprogramm von Agent Fresco gesehen hatte. Tatsächlich sind Lake Cisco, benannt nach einem See in Texas, eine vierköpfige Art Rock Combo aus Köln und Koblenz, die ihre musikalische Sozialisierung New Prog Bands wie Oceansize oder eben Agent Fresco zu verdanken haben. Indie und Prog gehen eben auch in hart, nach Permanent Transient ist gerade das zweite Album der Jungs in der Mache.

Beirut

Für Zach Condon hat der Name Beirut eine ideelle Bedeutung. Der Amerikaner kommt zwar aus Santa Fe, hat aber nach einer Reise durch Europa seine Liebe zur Weltmusik entdeckt. Europäische Städtenamen wie „Brandenburg“„Bratislava“ und „Cherbourg“ finden sich zuhauf auf Beiruts Alben. Besonders die Folklore der Balkanhalbinsel scheint ihn fasziniert zu haben, was man vor allem seinem Debütalbum Gulag Orkestar stark anhört. Nun liegt Beirut weder in Europa noch in der ehemaligen Sowjetunion, sondern im Libanon, einem Land in Westasien, das Condon zum ersten Mal 2014 besucht hat. „Es ist trotzdem eine gute Analogie zu meiner Musik,“ erklärt er. Der Name sei gleichzeitig „catchy“ und von Konflikten geplagt, „der Ort, an dem Dinge kollidieren.“ Im September erscheint mit No No No bereits das vierte Album des zur Band gewachsenen Projekts. Einer der Songs, die sich wahrscheinlich darauf finden werden: „Rumeli“, ein alter Name für…? Na klar, die Balkanhalbinsel!

Eyot

Das Jazz Fusion Quartett Eyot hat sich nicht nach einem bestimmten Ort benannt: Als Eyots oder Aits werden kleine Flussinseln bezeichnet, besonders die der Themse. Das Wort ist seit einem Jahrhundert kaum noch in Gebrauch und passt ehrlich gesagt eh besser zu den weitschweifenden Kompositionen der Band aus dem serbischen Niš. Wobei Jazz Fusion als Schublade zu eng für Eyot ist, man müsste noch Post-Rock und Balkan Folk ergänzen. Während sie musikalisch die Frage stellen, warum so selten über serbische Bands berichtet wird (denn anscheinend gibt es die ja), zeigen sie mit ihrem Namen, dass die Aneignung auch in die andere Richtung gehen kann, nämlich von Ost nach West.

 

Indochine

Was den Deutschen ihre „99 Luftballons“, ist den Franzosen „L’Aventurier“. Der Song über Bob Morane (den französischen Indiana Jones) war der erste große Hit der Pariser New Wave Band Indochine. Heute kann jeder Franzose „L’Aventurier“ mitsingen. Nachdem sie in den Neunziger Jahren in der Versenkung verschwunden waren, fand die Band um Sänger und einziges verbleibendes Gründungsmitglied Nicola Sirkis mit Paradize von 2002 wieder Anschluss an die nationale Rockszene. Die Faszination für das ehemals von Frankreich kolonialisierte Indochina und besonders den Vietnam gab der Band nicht nur ihren Namen, sondern auch die visuelle, auditive und sprachliche Ästhetik des Debüts L’Aventurier sowie des Nachfolgers Le Péril Jaune (dt.: die gelbe Gefahr), mit Songtiteln wie „Indochine (Les 7 jours de Pékin)“ und „La Sécheresse du Mékong“.

Portugal. The Man

Beim relativ kryptischen Namen Portugal. The Man hilft einem die deutsche Wikipedia-Seite weiter. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte John Baldwin Gourley den Namen der experimentellen Indie-Band aus Alaska. Wie eine Band sei auch ein Land eine Gruppe von Menschen, gewissermaßen ein Kollektiv mit gemeinsamen Interessen. Die Ergänzung „The Man“ bedeute, dass es sich bei der Band um ein Alter Ego handelt. Und warum Portugal? „Es war schlicht das erste Land, das uns in den Kopf gekommen ist.“ Die Mitglieder waren selbstredend noch nie in Portugal, musikalisch klingt die Band nach Blues (Church Mouth), New Orleans (Censored Colors) und dem American Ghetto. Portugal. The Man sind übrigens wieder im Studio, ihr nächstes Album soll sich an Hip-Hop orientieren und wird von Beastie Boy Mike D produziert.

Strasbourg

Straßburg ist von Bordeaux mehr als 800 Kilometer entfernt. Zieht man mit dem Stift eine Linie von der Metropole an der Atlantikküste zur Stadt im Nordosten des Landes, die das Europaparlament beherbergt, teilt man Frankreich glatt in zwei Hälften. Was Raphaël „Guadaloupe“ Sabbath dazu bewegt hat, sein Noisewave-Projekt Strasbourg zu nennen, ist unklar. Klingt Bordeaux zu sehr nach Wein und gutem Wetter für die kalte, harsche Musik der Band? Hat es etwas mit der Geschichte der elsässischen Stadt zu tun, die als Spielball der deutsch-französischen Konflikte immer wieder den Besitzer gewechselt hat? Was es auch sein mag, hinter Strasbourgs Namen und den Songtiteln versteckt sich ein albtraumhaftes Biest von einer Band, bei der die „Sangria“ nach Schierlingsbecher klingt und das Elsass nach dem Airstrip One.

 

Sleaford Mods

Großbritanniens am lautesten keifendes Duo hat die Widersprüche gepachtet: Die Sleaford Mods sind weder aus Sleaford, noch sind sie Mods. Sie machen Punk, aber auch Hip-Hop und primitiven Drum’n’Bass und haben mit dem siebten Album, das ausgerechnet den Titel Divide and Exit trägt, das UK hinter sich vereint. Die Idee zur Band (ursprünglicher Name: That’s Shit, Try Harder) ist dem Kopf von Jason Williamson entsprungen, der immerhin aus dem rund 20 Kilometer entfernten Grantham stammt. Der Sänger, dessen MO eher ein endloses Schimpfen ist als tatsächliches Singen, klingt schon durch seinen Midlands-Akzent wie Mike Skinner und hat dazu noch die „fuck off“-Attitüde des Punk Poeten John Cooper Clarke. Im Hintergrund sorgt Andrew Fearn seit 2012 für die minimalistisch-raue Musik, die sich zwischen the Prodigy und den Cockney Rejects bewegt. Das Ergebnis passt weder zu Grantham noch zum beschaulichen Sleaford, aber mit den beiden Briten auf dem Soundtrack ließe sich dort sogar ein Guy Ritchie-Film drehen.

Bonus: Mars

Das hier ist ein No-Brainer. Dass das No Wave Quartett Mars von der Erde stammt, mag man den circa 30 Minuten experimenteller Musik, die es hinterlassen hat, zwar nicht anhören. Tatsächlich aber war die New Yorker Band um Sumner Crane ein wichtiger Faktor in der Entwicklung des lokalen No Wave Genres. Vorher hießen sie kurz China, bevor sie sich für den roten Planeten entschlossen und Sängerin Connie Burg „China“ als ihren Künstlernamen verwendete. Den gab sie kurz darauf zugunsten von Lucy Hamilton wieder auf, nach dem Lydia Lunch Album The Drowning of Lucy Hamilton, auf dem Burg Klavier und Klarinette gespielt hatte. Lunch und JG Thirlwell aka Foetus kümmerten sich derweil um die Veröffentlichung von 78, der einzigen EP der Band. Achja, und dann gibt es noch die auf Don Juan basierende No Wave Oper John Gavanti – „the most unlistenable record ever made“ – die Mars mit Arto Lindsay und seiner Band DNA geschrieben haben. Verwirrt? Wir auch.

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