Viet Cong – Viet Cong

In welchem Interpol, Shellac und Neu! im Hexenkessel Unheil brauen

Women sind nicht mehr, Women sind jetzt Viet Cong. Genauer: Matt Flegel und Mike Wallace, ehemals Bassist/Sänger respektive Drummer der Art Rock Band Women, schlagen mit ihrer neuen Combo Wellen. Danny Christiansen und Chad VanGaalen-Gitarrist Scott Munro komplettieren die Band. Nach einer „tour only cassette“ EP namens, helas!, Cassette haben die vier Kanadier ihr Debütalbum am Start. Und verdammt will ich sein, wenn das nicht auf Begeisterung seitens Hörern und Musikpresse stößt.

Während sich auf „Newspaper Spoons“ noch Lo-Fi Gerumpel und deklamatorischer Gesang finden und Orgeltöne hinter einem Gitarrensolo hervorkommen, wie die Sonne, die nach einem Herbststurm durch die Wolken bricht, ist der Rest von Viet Cong deutlich düsterer. Schon der nächste Song, „Pointless Experience“, ist vom Titel herab dermaßen in Post-Punk getränkt, dass Vergleiche sowohl mit Goth und Industrial als auch mit Interpol geschlagen werden können. Die Synths klingen wie zu oft in die Waschmaschine gesteckt, tragen aber trotzdem den Rhythmus über das Schlagzeug hinweg. Das wechselt sich effizient mit strengen Gitarren und krautigem Beat ab. Überhaupt ist Munro und Christiansen das Wellenförmige und Liquide am Sound der Band zu verdanken, ein Sound, der an sich schon überragend ist.

Über den Verlauf der 38 Minuten – in Punk-Manier nur knapp über EP-Länge – holen Viet Cong verschiedenste Zutaten aus ihrer musikhistorischen Gewürzkammer und kippen sie in den Kessel. Industrielle Elektronik und Psych Pop geben sich auf „March of Progress“ die Klinke in die Hand, Noise und Kraut auf „Bunker Buster“ und sogar quasi-Swans’sche Ausdauerspielchen finden noch Platz („Death“). Manchmal stehen die einzelnen Elemente im Vordergrund, wie auf „March of Progress“: Die Synths und der zwischen gerade und schief hin- und herwechselnde Rhythmus des Industrial-Parts sind für sich genommen schon genug, um den Hörer unter Wasser zu reißen; stattdessen wird der Song plötzlich so psychedelisch wie „Within You Without You“ und nimmt dann sogar noch Fahrt auf. An anderen Stellen ist es das Überlappen von Spielarten, das Viet Cong zu so einem außergewöhnlichen Album macht. „Bunker Buster“ klingt wie „Negativland“, neu interpretiert von Steve Albini. Die dissonanten Gitarren sind noisy as fuck – Shellac wären stolz drauf, den Song geschrieben zu haben – und dahinter versteckt sich der wabernde, motorische Drum-Sound von Neu!.

„Continental Shelf“, die erste Single, lässt eisige Gitarrenwellen gegen unbarmherzige Schlagzeugklippen brechen. Die Verzerrer sind bis zum Anschlag aufgedreht, das Rauschen ist wichtiger als die eigentlichen Töne. Um die Hörer mit der grauen Wucht nicht zur Depression zu treiben, wird der Post-Punk-Griff ein wenig gelockert, aber nur ein wenig, und gemäßigterer Interpol’scher Rock erklingt. Wie auch auf „Silhouettes“, dem besten Interpol-Track seit langem. Flegel hört sich sogar an wie Paul Banks. „Death“ wirft dann nach einem Echo von „Pointless Experience“ nochmal ordentlich Kraut in die Waagschale, ohne die Punk-Energie zu vernachlässigen. Nach sechseinhalb Minuten kommt dann oben erwähnter Swans-Teil, es gibt über zwei Minuten nur Gehämmer im 15/16 Takt. Anstatt es dabei zu belassen, kommt nochmal ein schneller Teil, bevor das Album doch noch zu Ende gehämmert wird. Das Beste an Viet Cong ist, dass es mehr als nur die Summe seiner Einflüsse ist. Interpol, Krautrock und „Day of the Lords“ klingen zwar an, doch durch ihren Grenzen sprengenden Punk hat sich die Band ein Existenzrecht erarbeitet, das mehr als nur tributär ist.

Beste Tracks: Bunker Buster, Continental Shelf, March of Progress

VÖ: 16/01 // Jagjaguwar

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