Live: Thurston Moore

Noise und Rock, wie zu Sonic Youths besten Zeiten

„56 and still alive and kicking!“ Dies war durch die Bank die Meinung, die die Besucher des gestrigen Konzerts von Thurston Moore vertraten. Die Altpunks aus aller Welt und brennenden Sonic Youth-Verehrer haben natürlich den Großteil des Publikums ausgemacht. Doch auch Fans der jüngeren Generationen, die jene vielleicht wichtigste Band nach den Beatles noch nicht live gesehen haben – und womöglich nie die Gelegenheit bekommen – waren gekommen und begeistert wieder nach Hause gegangen. Dass Moores größtes Verkaufsargument immer noch Sonic Youth ist, ist wenig überraschend, auch wenn man sich bei der obligatorischen, leidigen Publikumsfrage, ob er nicht ein paar Songs seiner alten Band spielen könne, schon ein wenig fremdschämte.

Der Noise Rocker und Indie-Urvater muss nach seinem Solo-Debüt Psychic Hearts niemandem mehr beweisen, dass er auf eigenen Beinen stehen kann, aber wenn er trotzdem zum Versuch ansetzt, kann man nur ehrfürchtig da stehen. Moore ist immer noch ein experimenteller Kopf, was sich daran zeigt, dass er das Konzert nach einem Noise-Intro mit „Forevermore“ und „Speak to the Wild“ beginnt, den massiven ersten beiden Songs seines neuen Albums The Best Day. Zusammen sind das 20 Minuten unbarmherzigen Noise Rocks, die er einem Monolithen gleich über die Bühne bringt. Im Verlauf der nächsten anderthalb Stunden feuert er dissonante Akkorde und bedrohliche Harmonien aus seiner Gitarre, während hinter ihm Sonic Youth Drummer Steve Shelley mit fast schon motorischer Präzision den passenden Rhythmus liefert. Moores Songs sind, wie schon zu Sonic Youths besten Zeiten, eine Mischung aus John Cage, Punk und nihilistischem grau-auf-grau Noise Rock.

Locker und sichtlich gut gelaunt kommuniziert Moore mit seinem Publikum und widmet sogar einem Fan in der ersten Reihe mit ironisch Rockstar-hafter Nonchalance ein Lied („You’re single? Ok, this next song is for the single lady.“) Während „Grace Lake“ fällt mir auf, dass es schon ein halbes Jahr her ist, dass ich zuletzt ein Rockkonzert gesehen habe, bei dem nicht die Indie- oder Folkelemente im Vordergrund standen – und die wahnsinnige No Wave/Punk-Energie, die von Thurston Moore live ausgeht, stopft das Loch, dessen Präsenz man bei all der interessanten, aber unrockigen Musik heutzutage ab und an vergisst. Als Zugabe spielt Moore unter anderem auch „The Best Day“, einen der Höhepunkte des Albums wie auch des Abends. Zum Schluss stehen er, My Bloody Valentine-Bassistin Debbie Googe und Gitarrist James Sedwards mit dem Rücken zum Publikum vor den Lautsprechern und erzeugen soviel Feedback wie irgend möglich. In einem Meer aus Noise taucht Thurston Moore dann hinter die Bühne ab und lässt die Zuschauer jubelnd zurück. Alive and kicking, in der Tat.

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Thurston Moore, James Sedwards und Feedback (mitte) // © Yannick Philippe
Thurston Moore, James Sedwards und Feedback (mitte) // © Yannick Philippe

Meinungen aus dem Publikum:

Allan: Es war nett, ihn wieder zu sehen, zu sehen, dass er immer noch „rocking and rolling“ ist und noch immer nicht seine „attitude“ verloren hat. Ich vermisse Sonic Youth, ich vermisse Kim Gordon und Lee Ranaldo, aber es war schön, Thurston Moore immer noch „alive and kicking“ zu sehen. Ich höre schon sehr, sehr lange Sonic Youth. Das ist wie der Soundtrack zu meinem Leben. Er hat auch seinen Humor noch nicht verloren. Ich mag sowohl seinen Humor als auch seine Ernsthaftigkeit, seine Herangehensweise an Musik. Es war super, ihn hier in Heidelberg von so nah zu sehen. Und Steve Shelley hat es, wie immer, voll gebracht!

Erik: Die Krawallbrüder haben’s ordentlich krachen lassen, hat mir gut gefallen. Meine Ohren tun mir immer noch weh und ich komm nächstes Mal bestimmt wieder.

Luciana: Thurston Moore war wirklich überraschend gut. Ich kannte ihn schon und das Konzert war wundervoll.

Cris: Wir sind extra aus Belgien gekommen, um ihn zu sehen, also… Susana: Ich bin seit 22 Jahren gr0ßer Fan. Ich habe ihn in Anvers gesehen und das war super gut, nur leider war der Bass da etwas zu sehr im Hintergrund. Hier war er schon weiter vorne und auch das Publikum war viel näher dran. Im Vergleich mit Anvers war das super, ich hab’s geliebt. Cris: Die Akustik war echt gut.


Fichon

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